Erschöpfung im Sport: „Burnout kann auch den härtesten Hund treffen“

Redaktion 10. Oktober 2011 0
Erschöpfung im Sport: „Burnout kann auch den härtesten Hund treffen“

Herr Linz, wenn man die Bundesligatrainer so hört, die allesamt Ralf Rangnick für seinen mutigen Schritt Respekt zollen, könnte man denken, sie haben dasselbe Problem, trauen sich aber nicht loszulassen. Was ist Ihr Eindruck?

 

Lothar Linz: Ja und nein. Alle Trainer wissen natürlich, welche Belastungen der Job mit sich bringt. Aber ich will nicht behaupten, dass sie alle ausgebrannt sind. Fakt ist, jeder Trainer hat enormen Druck.

 

Was macht die Belastung aus? Ist es der Erfolgsdruck oder das ständige In-der-Öffentlichkeit-Stehen?

 

Linz: Beides sind zentrale Punkte. In den beiden höchsten deutschen Profiligen sind nach dem 6. beziehungsweise 8. Spieltag schon insgesamt vier Trainer aus dem Amt ausgeschieden. Die Zeit, um die geforderte Leistung zu erbringen, hat sich verkürzt. Als Trainer kann man fast schlussfolgern: «Wenn ich drei Spiele verliere, muss ich um meinen Job bangen.» Auch die Medienpräsenz ist im Vergleich zu vor 20 Jahren enorm gestiegen. Die eigentliche Trainingsarbeit macht nur noch einen Bruchteil der Arbeit eines Trainers aus.

 

Allerdings sehen wir auch die Tendenz, dass sich Trainer freiwillig mehr Arbeit aufladen, ja dies sogar einfordern. Denken Sie an Felix Magath, der in Wolfsburg Sportdirektor und Trainer in Personalunion ist!

 

Linz: Das scheint mehr Arbeit zu sein, kann tatsächlich aber eine Entlastung sein. Weil sich der Trainer nicht in allen Fragen abstimmen und andere überzeugen muss, spart er Energie. Ob diese Machtfülle für den Verein gut ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.

 

Für viele Menschen stellt sich der Beruf des Bundesligatrainers als Traumjob dar. Ist er es nicht?

 

Linz: Traumjob ist sicher relativ. Man sieht, dass Trainer gut verdienen, tolle Autos fahren, aber die Schattenseiten erkennt man nicht. Wer ständig in der Öffentlichkeit steht, kann sich privat auch nicht frei bewegen.

 

Für Spitzensportler gehört es mittlerweile zum guten Ton, einen Sportpsychologen zu haben. Brauchen Trainer auch einen «Seelendoktor»?

 

Linz: Ich würde das anraten. Es greifen aber auch schon mehr Trainer auf Sportpsychologen zurück als vielleicht öffentlich bekannt. Namen kann ich aus Diskretionsgründen keine nennen. Viele Trainer nehmen ihre Dienste privat in Anspruch. Es macht vielleicht auch mehr Sinn, als sich an den Psychologen des Vereins zu wenden, wenn es darum geht, die Arbeit zu reflektieren.

 

Um Abstand zu den Dingen zu gewinnen?

 

Linz: Ja, und auch deshalb, weil ein externer Psychologe nur für ihn da ist. Trainer haben eine sehr exponierte Stellung. Sie sind in ihrem Amt sehr einsam. Sie müssen sich fragen: «Wer ist mein Verbündeter?» Der Co-Trainer könnte auch der potenzielle Nachfolger sein. Der Verein kann schnell Abstand nehmen. Und die Spieler muss der Trainer führen. So kommt man sehr schnell auf Personen außerhalb des Vereinsumfeldes.

 

Rangnick galt als perfektionistisch, akribisch und sensibel. War er damit besonders anfällig für den Burnout?

 

Linz: Rangnicks Stärke war auch seine Schwäche. Seine Sensibilität eröffnete ihm mehr Möglichkeiten in der Führung seiner Spieler, aber machte ihn andererseits auch verletzbar. Die charakterliche Grundkonstellation ist vorentscheidend. Ein Mensch von robuster Natur, also einer, der eher grob gestrickt ist, hat ein geringeres Risiko, einen Burnout zu erleiden.

 

Sie meinen, dass zum Beispiel Louis van Gaal, so wie wir ihn als Bayern-Trainer kennengelernt haben – von sich selbst überzeugt und uneinsichtig – resistent wäre?

 

Linz: Ein Burnout kann auch den härtesten Hund treffen. Davor ist niemand gefeit, aber die Wahrscheinlichkeit ist viel geringer.

 

Glauben Sie, Ralf Rangnick kann es schaffen, zurück zu kommen und wieder ein Bundesligateam als Trainer übernehmen?

 

Linz: Das ist die Kardinalsfrage. Jeder, der ihn anstellen könnte, kennt seine Personalakte und weiß um seine Probleme. Die Skepsis bleibt, ob er in einen Topverein zurückkehren kann.

 

Also sind die, die ihn jetzt für seinen Mut Respekt zollen, jene, die ihm später möglicherweise die Rückkehr verweigern werden?

 

Linz: Es ist nicht anders als bei Robert Enke. Die Betroffenheit ist durchaus echt. Man sieht ein Innehalten der Protagonisten, aber dann greifen schnell wieder die Mechanismen des Geschäfts. Es geht weiter.

 

Lothar Linz ist Sportpsychologe, war früher Mentaltrainer beim Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen und ist heute unter anderem als Psychologe beim Eishockey-Erstligisten Kölner Haie tätig. Der Kölner betreut außerdem zahlreiche Spitzensportler aus den verschiedensten Sportarten. An der Kölner Trainerakademie unterrichtet er außerdem zum Thema Trainerphilosophie.

 

Hoeneß gibt Tipps gegen den Burnout

 

 

Quelle: Nachrichten Sport Nachrichten Ralf Rangnick – «Burnout kann auch den härtesten Hund treffen»


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